Infrastruktur als «eigenständige» Anlagekategorie:
Eine Chimäre
Dr. Roman von Ah
Ökonomie
Finanzmärkte
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Tiefe bzw. negative Zinsen begünstigten Privatmarktanlagen. Hohe Erträge, tiefe Risiken und Korrelationen, so das Mantra. Zeitverzögert kamen Infrastruktur-Investments auf, mit ähnlichen Pro-Argumenten. Sind die Erwartungen realistisch?
Tiefe bzw. negative Zinsen begünstigten Privatmarktanlagen. Hohe Erträge, tiefe Risiken und Korrelationen, so das Mantra. Zeitverzögert kamen Infrastruktur-Investments auf, mit ähnlichen Pro-Argumenten. Sind die Erwartungen realistisch?
Die folgende Tabelle stellt Privatmarktanlagen traditionellen Investments, hier auch öffentliche Investments genannt (Public Investments), gegenüber.
Grossanleger wie Staatsfonds (Sovereign Wealth Funds) und Regierungsagenturen (Government Agencies) können direkt in Infrastruktur investieren. Die Eintrittshürden sind dabei hoch. Die Mehrheit (Versicherungen, Banken, öffentlichrechtliche und private Pensionskassen) legt via geschlossene Infrastrukturfonds (closed-end) an, die von General Partners (GP) gemanagt werden. Weiter gibt es kotierte (listed) und offene (open-end) Infrastrukturfonds.
Zwischen 2008 und 2019 wuchsen Infrastrukturfonds von 59 Mrd. auf 486 Mrd. Dollar an. Dabei lassen sich drei Transaktionstypen unterscheiden: «Greenfield» (1/5), «Brownfield» (knapp 1/10) und «Secondary Stage» (die grosse Mehrheit).
Greenfield investiert in den Bau neuer Anlagen. Brownfield erweitert Einnahmen generierende Teilanlagen mit Zusatzinvestitionen. Secondary Stage sind Cashflow erzeugende Infrastrukturbeteiligungen ohne Investitionsbedarf. Greenfield und Brownfield sind risikoreicher; ohne Ausschüttungen in den ersten Jahren. Drei Viertel der Investoren-Deals sind Sekundärgeschäfte.
Motivation für Infrastrukturinvestitionen
Das attraktive Narrativ einer neuen Anlagekategorie mit wenig Konjunkturabhängigkeit, tiefer Volatilität, geringer Korrelation mit Aktienmärkten und langanhaltenden, inflationsgebundenen Cashflows dominiert.
Dabei schufen sich Infrastrukturanlagen ein eigenes Ökosystem: Investmentbanken erhalten kauf-sowie verkaufseitige Handänderungsgebühren, Anwälte spezialisieren sich auf Transaktionen und Fundraising. Bewertungsdienstleister unterstützen die Due Diligence. Eine «Gatekeeping»-Industrie agiert zwischen Kunden und Investierenden. Alle mit erheblichem Interesse, den Status quo der Multimilliarden-Dollar-Industrie aufrechtzuerhalten. Selbst Aufsichtsbehörden bevorteilen Infrastruktur gegenüber anderen Privatmarktanlagen. [1]
Infrastruktur-Sektoren: eine Übersicht
Erneuerbare Energien: Wind, Solar, Wasser, Biomasse, Geothermie
Traditionelle Energie: Kohle, Nuklear, Pipelines, Raffinerien, Lagerungseinrichtung
Transport: Maut-Strassen, Parkplatz und Servicestation, Tunnel, Brücken, Eisenbahn und Rollmaterial, Flughäfen, Flugzeuge, Seehäfen, Transport Schiffe, Logistik
Soziale Infrastruktur: Spitäler, medizinische Einrichtungen, Seniorenheime, Studentenheime,
Ausbildungsstätten, öffentliche Gebäude, Gefängnisse, Verteidigungsanlagen, Polizeistationen
Versorgungsunternehmen: Wasseraufbereitungsanlagen, -distribution, Stromverteilung,
Abwasserklärung, Kanalisation, Abfallbewirtschaftung
Telekom: Mobil-, Festnetzanlagen, drahtloses Internet, Kabelfernsehen, Satelliten-Netzwert
Diverse Infrastrukturprojekte
Doch stimmen die erwirtschafteten Erträge mit den Verkaufsargumenten für Privatmarkt-Infrastruktur-Investments überein?
Wissenschaftliche Antworten sind rar. Sie existieren mehrheitlich zu Private-Equity-Investments, wovon Infrastruktur ein Teil ist und stehen in deutlichem Kontrast zum mantrahaft wiederholten Narrativ. Die hochwertige Studie von Andonov et al. (2021) [2] ist erhellend. Die breite Stichprobe mit Schwerpunkt USA zeigt, dass grosse Staatsfonds und staatliche Behörden teilweise direkt investieren; die Mehrheit Institutioneller investiert in geschlossene Infrastrukturfonds. Direktinvestitionen (Eigentum, langfristige Pacht) sind somit ein kleiner Teil institutioneller Infrastruktur; sie schneiden bzgl. Stabilität und langfristiger Renditen etwas besser ab und haben vorhersehbarere Cashflows. Die Einstiegshürden sind hoch, einschliesslich erheblicher Kapitalanforderungen, zusätzlich zum Bedarf an teurem spezialisiertem Fachwissen. Das Potenzial von Stabilität und Inflationsschutz ist argumentierbar, bleibt empirisch aber eine offene Frage. [3]
Trotz langem Horizont und erwartet stabilen Cashflows wird in geschlossene Infrastrukturfonds mit limitierter Haltefrist investiert, diese dominieren bei institutionellen Anlagen mit 75%. Der Grossteil dieser Investments liefert die erwarteten stabilen, langfristigen Erträge nicht. Die Volatilität und Zyklizität ist ähnlich wie bei Private Equity, die Leistungspersistenz im Top-Quartil fehlt und die Performance hängt ebenso vom schnellen Exit ab.
Der Gleichlauf mit Private Equity und die schlechteren Ertragseigenschaften von Infrastruktur widersprechen geschürten Erwartungen. Selbst in stark regulierten Branchen mit langen Konzessionsverträgen ist das Geschäftsmodell geschlossener Fonds nicht zielführend (Erfüllung Ertragsbedürfnisse der General Partner, Optimierung der Internal Rate of Return; IRR) (siehe zweite Tabelle).
Eine eigenständige Anlagekategorie, die gegenüber ÖMI real diversifiziert, ist in den letzten 20 Jahren weder für Private Equity und schon gar nicht für Infrastrukturanlagen identifizierbar. Letztere konnten zu keinem Zeitpunkt die initialen Erwartungen erfüllen. Private Equity konnte in den neunziger Jahren mindestens einen Teil der Erwartungen erfüllen, verlor diesen Vorteil jedoch, seit entsprechende Investitionen ab 2008 immer mehr in Mode kamen. Damit liesse sich das Diktum von Andrew Ang «Private Equity is not an Asset Class» [4] erweitern auf: «Private Equity and Infrastructure are not Asset Classes. The latter even less than the first.» (Weder Private Equity noch Infrastruktur sind eigenständige Anlageklassen. Letztere noch weniger als Ersteres).
Öffentliche vs. private institutionelle Investoren
Speziell öffentliche institutionelle Anleger erhöhten ihr Infrastrukturengagement in geschlossene Fonds. Sie schneiden gegenüber privaten Institutionellen schlechter ab. Starke Umwelt-, Sozial und Governance-Präferenzen (ESG) oder regulatorischer Druck (Paris Alignment, UNPRI u. a.) begründen 25 bis 40% der erhöhten Allokation und tragen 30 % zur schlechteren Performance bei.
Ein gesellschaftlicher Nutzen kann mit Infrastruktur verbunden sein. Die implizite Übernahme nichtfinanzieller Ziele trägt zur Unterperformance öffentlicher Anleger bei und hat einen hohen Preis: Geschätzt 5 Mrd. Dollar p. a. gehen entweder als Wertübertragung an die zugrunde liegenden Infrastrukturvermögenswerte oder an die verwaltenden General Partner in Form von Gebühren. Diese Kosten werden von Steuerzahlern oder Rentenempfängern oder beiden bezahlt.
Tabelle Performancezahlen
Dieser Text wurde, redigiert und leicht gekürzt, unter dem Titel "Infrastruktur als «eigenständige» Anlagekategorie: Eine Chimäre" auf in der Fachzeitschrift "Schweizer Personalvorsorge / Prévoyance Professionnelle Suisse" im August 2024 publiziert.
[1] : Eine Änderung der BVV2 im Jahr 2020 brachte eine günstigere regulatorische Behandlung. Vorher galt Infrastruktur als alternative Anlagen; gemäss Art. 53 Abs. 4 BVV 2 zu diversifizieren und kollektiv anzulegen. Neu: eigene Quote, Direktanlagen möglich bei angemessener Diversifizierung; keine Finanzierung durch Fremdkapital.
[2] : Andonov, Aleksandar; Kräussl, Roman; Rauh, Joshua: Institutional Investors and Infrastructure Investing, The Review of Financial Studies 34 (2021), 3880–3934.
[3] : Die Fallstudie «Low Tide – Benchmarking Risks in Infrastructure Investments. What the data showed about Thames Water»; EDHEC, Dezember 2023, zeigt, was bei Infrastruktur inkl. politischer Einflussnahme alles falsch laufen kann. Die Monopoltätigkeit «Wasser und Wasserentsorgung» an einem der bekanntesten Flüsse führte zu Milliardenverlusten.
[4] : Ang, Andrew: Private Equity Is Not an Asset Class, in: «Asset Management – A Systematic Approach to Factor Investing», S. 592, 2014.