Investieren in Schwellenländer:
China als Chance
oder Risiko?

Dr. René Dubacher
Ökonomie
Finanzmärkte
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Schwellenländer sind die Wachstumstreiber der Weltwirtschaft und tragen mittlerweile rund 60% zum globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei, gemessen an Kaufkraftparitäten. Dieses dynamische Wachstum wird von einer jungen, expandierenden und zunehmend wohlhabenden Mittelschicht getragen, die in vielen dieser Länder entsteht. In den vergangenen fünfzehn Jahren hat vor allem China den wirtschaftlichen Einfluss der Schwellenländer massgeblich gestärkt.
Schwellenländer sind die Wachstumstreiber der Weltwirtschaft und tragen mittlerweile rund 60% zum globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei, gemessen an Kaufkraftparitäten. Dieses dynamische Wachstum wird von einer jungen, expandierenden und zunehmend wohlhabenden Mittelschicht getragen, die in vielen dieser Länder entsteht. In den vergangenen fünfzehn Jahren hat vor allem China den wirtschaftlichen Einfluss der Schwellenländer massgeblich gestärkt.
China- und Ex-China-Strategien für Schwellenländer-Investments: Eine Überlegung zur Risikosteuerung
Anleger erwägen zunehmend, ihre Schwellenländer-Investments in separate China- und Ex-China-Strategien aufzuteilen. Damit möchten sie das spezifische China-Risiko gezielter steuern und gleichzeitig attraktive Investitionsmöglichkeiten in Schwellenländern ausserhalb der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt nutzen. Besonders die geopolitischen Spannungen und die aktuelle Kontraktion im chinesischen Immobilienmarkt belasten die wirtschaftliche Entwicklung Chinas. Zudem verzeichnet der chinesische Aktienmarkt seit 2021 eine anhaltende Minderperformance im Vergleich zum übrigen Schwellenländer-Aktienmarkt.
Indexentwicklung mit und ohne China
*MSCI Emerging Markets, MSCI Emerging Markets ex China
** MSCI ACWI, MSCI ACWI ex China
China im MSCI Emerging Markets Index: Entwicklung und Gewichtung
Der Anteil Chinas am MSCI Emerging Markets Index liegt derzeit bei 27,4%. Seit der globalen Finanzkrise 2008 hat sich Chinas Gewicht im Index erheblich gesteigert und erreichte seinen Höchststand bei etwa 40%. Im Juni 2018 begann MSCI, chinesische Festland-Aktien («A-Shares») in den Index aufzunehmen, zunächst mit einem Gewicht von 5% ihrer lokalen Marktkapitalisierung. Im Gegensatz dazu waren die in Hongkong notierten Aktien («H-Shares») bereits vollständig im Index vertreten. Im Jahr 2019 erhöhte MSCI die Gewichtung der A-Aktien auf 20%, um die wachsende Bedeutung des chinesischen Marktes im Schwellenländerindex zu reflektieren. Die Indizes ohne China zeigten eine stärkere Performance, da die chinesische Wirtschaft im selben Zeitraum mit Herausforderungen bei der Erholung von der Pandemie zu kämpfen hatte.
Chinas Einfluss auf den Abweichungsfehler («Tracking Error»)
Um den Performance-Unterschied zwischen einem Index mit und ohne China hervorzuheben, haben wir den historischen Tracking Error analysiert – also den Prozentsatz, um den der MSCI Emerging Markets ex-China Index in den letzten fünf Jahren vom breiteren MSCI Emerging Markets Index abwich. Die Analyse zeigt, dass eine Anlage in Schwellenländern ohne China innerhalb eines Jahres den MSCI Emerging Markets Index um mehr als 10% über- oder unterschreiten kann – eine beachtliche Abweichung.
Auf Ebene eines globalen Aktienportfolios ist der Effekt des Ausschlusses Chinas jedoch weniger signifikant: Hier liegt der historische Tracking Error bei nur 1,0%. Auch wenn dieser Wert geringer ist, bleibt er dennoch für Anleger bedeutsam, deren Anlagerichtlinien etwa den MSCI ACWI IMI als Benchmark vorschreiben und die daher auf Tracking Error achten.
Der vollständige Ausschluss Chinas aus dem Portfolio führt in den letzten 5 Jahren zu einem erwarteten aktiven Risiko von 8,57 Prozent, was für Benchmark-bewusste Anleger möglicherweise nicht akzeptabel ist. Ein moderaterer Ansatz, bei dem die Gewichtung Chinas beispielsweise auf 20% angepasst wird, würde das erwartete aktive Risiko auf weniger als einen Drittel reduzieren, was für viele Anleger annehmbarer sein könnte. Anleger, die sich für eine individuelle Anpassung der Gewichtung Chinas entscheiden, sollten jedoch sicherstellen, dass diese Entscheidung mit ihrer Zielbenchmark übereinstimmt. Das bedeutet, dass ein Verzicht auf Investitionen in China, während man gleichzeitig die Zielbenchmark MSCI Emerging Markets beibehält, zu einer Fehlanpassung der Risikobudgetierung führen kann.
Was bedeutet der Ausschluss von China?
Der Ausschluss Chinas bedeutet, die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt aus einem global diversifizierten Portfolio zu entfernen. Dieser Schritt erfolgt in der Regel aufgrund geopolitischer Risiken und den negativen Erfahrungen der letzten fünf Jahre. Implizit geht man davon aus, dass ein Portfolio ohne China eine bessere Performance erzielen könnte – die einfache Formel lautet: Mehrperformance durch den Ausschluss Chinas.
Allerdings zeigt die Erfahrung, dass die Wirtschaft nicht identisch mit dem Aktienmarkt ist und wirtschaftliche Entwicklungen sich nur langfristig in den Aktienkursen widerspiegeln. Kurzfristig können sich die beiden sogar entgegenläufig entwickeln, was insbesondere in Schwellenländern häufig der Fall war.
Einen so dominanten und dynamischen Teil der Weltwirtschaft wie China auszuschliessen – immerhin die zweitgrösste Volkswirtschaft nach den USA – könnte sich mittel- bis langfristig als Fehler erweisen. Viele Anleger erinnern sich an die Diskussion vor etwa zehn Jahren, als die allgemeine Meinung vorherrschte, die „Musik“ würde ausschliesslich in Asien (ohne Indien) spielen, während der Rest der Schwellenländer als uninteressant galt.
Grosse geopolitische Risiken
Präsident Xi hat sein Militär angewiesen, bis 2027 für eine mögliche Invasion in Taiwan bereit zu sein. Die Geschichte lehrt uns, dass solche Drohungen ernst genommen werden sollten, und der Westen hat in der Vergangenheit ähnliche Fehler im Umgang mit Russland gemacht. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Konflikt kommt, ist hoch. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass Taiwan aufgrund des Drucks und der enormen wirtschaftlichen Verflechtungen in einen Sonderstatus ähnlich dem Hong Kongs „freiwillig“ China näherkommt. Dennoch hätte eine Invasion verheerende Folgen, sowohl für China als auch für die globale Wirtschaft.
Die COVID-Pandemie hat uns gelehrt, dass die industrielle Produktion und die Medikamentenherstellung ohne China kaum möglich sind. Aus diesen Gründen würden die Aktienmärkte weltweit massiv korrigieren, und das nicht nur in China.
Diesem Risiko können Aktieninvestoren nicht entkommen. Mit einem Anteil von 2.77% am globalen MSCI ACWI IMI Index bleibt China ein kleiner Teil des Welt-Aktienmarktes. Zum Vergleich: Apple machte am 30. September 2024 3.86 % des ACWI IMI aus. Die Streichung Chinas aus einem globalen Portfolio entspricht gleichsam der Entscheidung, den Tech-Giganten nicht zu halten. Dies mag unbedeutend erscheinen, kann jedoch für passive Anleger zu einem signifikanten Tracking Error im Vergleich zu globalen Benchmarks führen. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass Apple, das über 80 % seiner iPhones in China produziert, im Falle einer Invasion stark unter Druck geraten würde.
Es folgt: Der Ausschluss Chinas aus dem Portfolio löst das geopolitische Risiko nicht – im Gegenteil, das Gewicht von Taiwan und Indien erhöht sich entsprechend. Allein Taiwan Semiconductor, der grösste Chiphersteller der Welt, hat im MSCI Emerging Markets Index bereits ein Gewicht von 10 %. Durch den Ausschluss Chinas steigt dieses auf 12,5 %, und das Gewicht Taiwans insgesamt auf knapp 25%.
Fazit
Die geopolitischen Risiken und die Präsidentschaft von Xi bleiben bestehen, und Aktieninvestoren können sich diesen Herausforderungen nicht entziehen. China aus globalen Aktienportfolios zu streichen, reduziert die Risiken nur marginal. Die einfache Entscheidung, die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt aus dem Anlageuniversum auszuschliessen, wird langfristig kein «Alpha» generieren. Der zu erwartende langfristige Performancebeitrag rechtfertigt die Risiken. Der MSCI ex China folgt der China-Bashing-Politik der letzten Jahre, was für langfristig orientierte Investoren eine ungünstige Strategie darstellt.